Die einen halten sie für Kinderkram, die anderen lieben sie – und im schwäbischen Schorndorf trägt sogar das Rathaus im Winter eine: Die Rede ist von der Bommelmütze.
Nach Pelz und Pelzkragen dürfte das auch Pudelmütze genannte Accessoire – wegen der Ähnlichkeit mit dem krausen Haar des Pudels – das umstrittenste Kleidungsstück des Winters sein. Damen pflegten dazu in jüngster Zeit ein recht gutes Verhältnis, viele Herren haben jedoch eine eher schwierige Beziehung zu ihr. Experten zufolge ist diesen Winter übrigens etwas Anderes aus Frankreich angesagt. Doch der Reihe nach.
Viele Männer finden den Pudel peinlich
Für Männer gebe es «absolut keinen Grund», dieses knuddelige Winter-Utensil zu tragen, lästerte einst das Magazin «GQ» über die Strickmützen mit dem Posament oben drauf. «Bommelmützen kommen ursprünglich, so zumindest laut einiger Überlieferungen, von der französischen Marine zu Zeiten Napoleons. Die kleinen Pompons an der Mütze schützten den Kopf der Matrosen vor dem tiefen Deck an Bord.»
Da sich die meisten heute in ihrer Freizeit kaum auf Schiffen mit niedrigen Decken aufhielten, solle man keinen Bommel als Stoßdämpfer tragen, meinte «GQ»; es sei denn, das eigene Kind habe gerade die Mütze abgenommen und man wolle sie für den Nachwuchs warmhalten.
In England wird das alles weniger eng gesehen, es existieren sogar Fotos von Thronfolger Prinz Charles mit Bommelmütze. Doch die derart geadelte Kopfbedeckung hat in Deutschland in erster Linie bei Männern einen eher schlechten Ruf. Viele finden sie peinlich oder denken, es gehöre Mut oder eine gewisse Extravaganz dazu, eine zu tragen.
Bei Frauen boomte die Bommelmütze zuletzt
Männer und Mützen sind seit Jahrzehnten ein missliches Thema. Früher – also etwa in den 80er Jahren – waren viele Jungs zu frisurbewusst geworden (Stichwort: Popper), sie trugen ungern eine Mütze. Erst in den 90ern, als die Baseball-Cap zum Stilsymbol der Hip-Hop-Kultur wurde, änderte sich das allmählich wieder. Heute tragen Herren am ehesten Dockermützen und Schiebermützen (flat cap), wie es bei der GDH, der Gemeinschaft Deutscher Hutfachgeschäfte, heißt.
«Im Gegensatz zu den Männern hat bei Frauen die Bommelmütze in den vergangenen fünf Jahren einen regelrechten Boom erlebt», sagt GDH-Präsident Andreas Voigtländer. Nun ebbe diese Welle aber ab. Doch nach wie vor erlebe er Kundinnen, die sich etwa einen braun-melierten Bommel auf eine schwarze Strickmütze setzen ließen, erzählt Voigtländer, der in Wiesbaden einen Laden betreibt. Out seien aber Bommel aus echtem Pelz, für viele komme höchstens Kunstfell in Frage.
Vor der Bommel-Welle der vergangenen Jahre, in der zum Beispiel auch die Klimaaktivistin Luisa Neubauer bei Demos mit Bommelmütze gesehen wurde, sei die Strickmütze mit dem weichen Aufsatz zuletzt wohl in den 70er Jahren richtig angesagt gewesen, sagt Voigtländer. Dann habe es lange Zeit einen Angoramützen-Trend bei Frauen gegeben.
Baskenmütze auf dem Vormarsch: Serien machen’s vor
Seit einiger Zeit sei bei Frauen jetzt die Baskenmütze angesagt. Wie es dazu genau kam, ist für den GDH-Präsidenten unklar. Trends seien kein Modediktat, sondern entwickelten sich demokratisch, meint er.
Denkbar sind heutzutage aber auch Promi-Vorbilder und Serien – derzeit in erster Linie die Netflix-Produktion «Emily in Paris», die der trendbewusste amerikanische Produzent Darren Starr («Sex and the City», «Melrose Place», «Beverly Hills, 90210») entwickelte und bei der die legendäre Kostümbildnerin und Stylistin Patricia Field («Sex and the City», «Der Teufel trägt Prada») beratend tätig war.
In der Kulturclash-Serie voller Klischees trägt Hauptdarstellerin Lily Collins – Tochter von Genesis-Frontmann Phil Collins – gern mal eine knallbunte Baskenmütze (béret), die hierzulande auch «Franzosenmütze» genannt wird.
Laut Franzosen bringt der Bommel Glück
Also schon wieder Frankreich und ein Mützentrend, wie einst bei der Bommelmütze. In der Mode-Nation existiert der Bommel (auf Französisch «le pompon») nach wie vor an Parade-Uniformen beim Militär.
Außerdem kommt von dort auch ein bommeliger Brauch, der früher nur mit Frauen als sogenannter Täterin zu gelten schien. Er lässt sich aber durchaus auch geschlechterneutraler erzählen: Wem es gelingt, einen Bommel an der Mütze zu berühren, ohne dass der Träger oder die Trägerin es merkt, hat angeblich einen Tag lang Glück. Wer es jedoch versucht und bemerkt wird, die oder der ist fällig für ein Küsschen.