Vom teuren Accessoire für den Adel, hin zum modischen Dauerbrenner erlebte der Schmuck aus Garn Höhen und Tiefen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd Weißbrod/dpa)

500 Jahre altes Handwerk im Trend: Spitze feiert Comeback

Beim Stuttgarter Frühlingsfest auf dem Wasen kommt gerade zum Vorschein, was eigentlich versteckt bleibt: Spitze. Heute ziert sie vor allem Unterwäsche für Frauen. Doch bei Dirndl und Co feiert das rund 500 Jahre alte textile Accessoire derzeit ein Comeback.

«Spitze erfährt immer größere Beliebtheit», erklärt eine Sprecherin der Trachtenmanufaktur Krüger Dirndl aus Wernau (Kreis Esslingen). «Früher waren eher Baumwollblusen gefragt. Heutzutage sind Spitzenblusen nicht mehr wegzudenken», führt sie aus. «Je aufwendiger die Spitze, desto beliebter die Bluse.»

Ursprung liegt in Italien

Seinen Erfolg über Jahrhunderte verdankt das Textil aber nicht nur modischen Trends, sondern auch der Begeisterung für Handarbeit. Beim Kongress des Deutschen Klöppelverbands trafen sich im April rund 4000 Menschen in Wangen im Allgäu, um sich über die Handarbeitstechnik zur Herstellung von Spitze auszutauschen.

«Es ist die Faszination des Tuns und weniger das fertige Stück», sagt Verbandsvorsitzende Sabine Pichl. «Klöppeln ist ein kreativer Prozess, der entspannt und Alltagssorgen vergessen lässt.»

Bei der Handarbeitstechnik werde an mehreren Holzstäbchen – den Klöppeln – das Garn aufgefädelt, erklärt Pichl. Die Klöppel werden dann an einem Kissen befestigt und die Fäden durch Kreuzen oder Drehen miteinander verflochten. Dabei können schon mal mehrere Hundert Klöppel gleichzeitig im Einsatz sein. «Das sieht komplizierter aus als es ist», meint Pichl und lacht. Man müsse einfach nur üben.

Bevor Klöppeln zum Hobby wurde, war es lange ein Erwerbszweig für Frauen. Begonnen habe alles im 16. Jahrhundert in Italien, sagt die Schweizer Textilhistorikerin Thessy Schoenholzer Nichols. Anfangs sei die Fertigung noch recht einfach gewesen. Dann sei die Spitze langsam zum Dauerbrenner geworden, die Muster wurden komplexer, Manufakturen entstanden.

Die Spitze erlebte Aufs und Abs, doch sie blieb. Bis ins 19. Jahrhundert hinein haben Klöpplerinnen an dem kunstvollen Textil verdient. Mit der zunehmenden Industrialisierung habe dann die Maschine übernommen.

Spitzen wurden auch von Männern getragen

«Man sagt immer, die Maschine hat die Handarbeit kaputt gemacht, aber das war nicht so», sagt Schoenholzer Nichols. «Die Handspitze hat nur so lange überlebt, weil es die Maschine gab.» Im 19. Jahrhundert habe das Textil eine Welle der Beliebtheit erfahren. «Alle wollten Spitze», sagt Schoenholzer Nichols.

Erst mit der Maschine wurde sie für die breite Masse zugänglich und hielt sich so noch länger. Klöppeln wurde schließlich zum ausgefallenen Hobby. Und das hat auch Schoenholzer Nichols gepackt: Sie nutzt die Handarbeitstechnik als Kunstform und klöppelt Spitze in Form von Parasiten. «Es ist ein toller Zeitvertreib.»

Dass sie auch nach rund 500 Jahren noch fasziniert, liegt nach Ansicht von Ilona Kos auch an der Grundidee des Accessoires. Spitze sei «eine Art textiler Schmuck», sagt die Kuratorin am Textilmuseum St. Gallen in der Schweiz. Sie sei «eine textile Form, die allein für die dekorativen, modischen Zwecke hergestellt wird.» Damit hebt sie sich ab von körperlich-funktionalen Zwecken von Kleidung, und das bis heute.

Vom 16. bis 18. Jahrhundert kam Spitze vor allem in kleineren Accessoires zum Einsatz: Säume an Kleidern wurden verziert, Krägen, Krawatten, Hauben und Kopfschmuck waren gefragt. Bis dahin trugen auch Männer Spitze. Das habe sich im 19. Jahrhundert geändert, sagt Kos.

Dann trugen der Expertin zufolge fast ausschließlich Frauen Spitze und man wagte sich an größere Flächen. Schals und ganze Kleider seien aus Spitze gefertigt oder damit besetzt worden. Heute sei der Haupteinsatzbereich Unterwäsche, und es wird maschinell gefertigt. Von Hand wird auch bei dem Wernauer Trachtenhersteller Krüger nicht mehr geklöppelt. Denn das sei teuer und nur noch wenige Menschen beherrschten die Technik, erklärt die Sprecherin.

An einen Abgesang der Spitze glaubt Textilhistorikerin Schoenholzer Nichols nicht. Nur gibt es immer wieder Phasen, in denen sie nicht ganz so gefragt sei. Das sei auch nach der Französischen Revolution so gewesen. «Die Schulen dafür hatten geschlossen, Spitze war verpönt und man beherrschte die Technik nicht mehr», schildert sie.

Eine ganze Generation hatte die Handarbeit nicht mehr gelernt, man habe die Technik neu erfinden müssen. «Und man hat sie neu erfunden und weiterentwickelt.» Das sei eben Mode. «Es wird ruhigere Zeiten geben, aber die Spitze wird immer wiederkommen.»

Von Katharina Schröder, dpa

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